Produziert für: Reise Journal 04/1998
Erfurts anheimelnde Atmosphäre nimmt Stadtläufer voll und ganz für sich ein. Rostbrätel, Thüringer Blau-Weiß, bimmelnde Straßenbahnen und Blumenpracht bis in den späten Herbst gehören ebenso zu der Stadt an der Gera wie Kirchen, Klöster und Krämer.
Ein Spaziergang über die Krämerbrücke ist ein wundervoller Ausgangspunkt für die Erkundung der Altstadt. Manch einer merkt kaum, dass er auf einer Brücke flaniert: die 125 Meter lange Krämerbrücke ist beidseits mit Fachwerkhäusern bebaut. Die einzige Brücke dieser Art nördlich der Alpen. Die Ägidienkirche am östlichen Ende ist die letzte Brücktorkirche der Stadt; eine Turmbesteigung lohnt sich unbedingt, der Ausblick ist phantastisch! Händler, Kunsthandwerker und Künstler leben und arbeiten heute auf dieser Brücke, die im Jahre 1325 nach mehreren Bränden erstmals in Stein gebaut wurde.
In dem schmucken Laden in der Krämerbrücke Nr. 1 finden sich neben dem Original Thüringer Blau-Weiß auch heute wieder Schätze aus alter Zeit. Porzellanfiguren bevölkern die Schränke und Vitrinen des Lädchens. Wer dem Schild „Manufaktur“ folgt, kann sogar bei der Herstellung der Glöckchen, Teller und Nippesfiguren zuschauen. Die Familie Reindel produziert nach alten Formen, die sie in dem Fundus einer Porzellanmanufaktur entdeckte. Bernd Reindel vermutet, dass einige der Modelle schon um 1790 entworfen wurden. Entwürfe nach Illustrationen der Zeitschrift „Gartenlaube“ zeugen von der Vergangenheit. Aber auch der Bezug zur Gegenwart fehlt nicht: Aus Blau-Weiß wurde die Variation Grün-Gelb mit schwungvoller Linienführung entwickelt. Und unter den Rohlingen ist auch ein ganz neues Modell: Die Krämerbrücke im Kleinformat.
Ein paar Meter über das Kopfsteinpflaster weiter geschlendert und Mode, Schmuck, Wein und Münzen laden in den kleinen Geschäften zum Stöbern, Schauen und Staunen ein. Galerien und Ateliers verlocken die Besucher zum Verweilen. Im „Brückenmuseum“ in den Häusern Nr. 20 und 21 können in aller Ruhe Fotografien zur Geschichte der Krämerbrücke betrachtet werden. Wenngleich es auch schwer fällt, sich von der Krämerbrücke zu trennen – die Altstadt lockt!
In der Altstadt vereinigen sich die verschiedenen Epochen zu einem steinernen, aber angenehm belebten Kaleidoskop. Immer wieder stößt man in den Gassen und Winkeln auf zauberhafte Details. Sei es eine entzückend restaurierte Haustür, sei es ein anmutiges Gäßchen oder ein familiäres Café wie das Altstadtcafé am Fischersand, wo man sommers am Wasser sitzen und sich im Winter mit hausgemachter Soljanka verwöhnen lassen kann. Wen wundert’s, dass auch Goethe sich hier wohlgefühlt hat. Im Haus „Dächeröden“ am Anger ging er ein und aus.
Am Fischmarkt beeindruckt das neugotische Rathaus die Gäste der Stadt nicht nur mit seiner Fassade. Besonders lohnend ist ein Besuch im Festsaal, der mit Historienbildern Stadtgeschichte in Szene setzt. Schräg gegenüber vom Rathaus zieht das liebevoll restaurierte Haus „Zum Breiten Herd“ aus dem Jahre 1584 die Blicke auf sich. Die feudal dekorierte Vorderfront des Renaissancebaus zeigt in einem Fries Darstellungen der fünf Sinne. …
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