Produziert für: ORTHOdoc. Berufsverband der Ärzte für Orthopadie e.V. 05/2001
Mit dem Ausdruck tiefster Gelöstheit sitzt die 76-jährige Irmgard Graubner am Flügel. Zart schweben die Töne, die sie dem schwarzen glänzenden Instrument entlockt, durch den Raum. Dass die Musik für die zarte Frau ein Lebenselixier ist, hat seinen ganz besonderen Grund: Vor 35 Jahren wurde bei ihr eine primäre chronische Polyarthritis diagnostiziert. Für Irmgard Graubner war diese Diagnose ein besonders harter Schlag, denn sie ist Pianistin.
Bereits mit fünf Lenzen beschloss die kleine Irmgard Krutsch, so ihr Mädchenname, das Klavierspiel zu erlernen. Vorbild war ihre Großmutter, ebenfalls eine virtuose Pianistin. An die Klavierlehrerin, die bald daraus ins Haus kam, erinnert sich Irmgard Graubner noch heute mit großer Begeisterung. Zwischen Tante Zeidler, wie das kleine Mädchen die junge Lehrerin nannte, und der lernbegierigen Schülerin entwickelte sich schnell eine innige Beziehung. „Ich durfte ihr sogar die Haare kämmen,“ berichtet Irmgard Graubner lächelnd und liefert damit wohl nur einen kleinen Beweis der damaligen Vertrautheit. Doch die kleine Irmgard war auch eine zielstrebige Schülerin, die selbst an den langweiligsten Fingerübungen nicht verzweifelte.
Später wechselte die begabte Jung-Pianistin ans Konservatorium ihrer Heimatstadt Wiesbaden zu ihrem Lehrer Albert Hofmann, dem sie später auch nach Mannheim folgte. Sechs Wochen durfte sie in Potsdam bei Professor Wilhelm Kempff das Klavierspiel studieren und auch in München und Brüssel verfeinerte sie das Spiel mit ihren geschmeidigen Fingern. Allerdings gab es für die junge Frau durchaus Momente, in denen sie um die Gesundheit ihrer Hände fürchtete. So als sie während ihrer Münchner Zeit bei einer befreundeten Familie lebte. Der älteste Bub wollte ihr das Ski Fahren beibringen. Doch dieses Abenteuer hat sie nur einmal gewagt: „Ich hatte Angst um meine Hände.“ So investierte sie noch mehr Zeit in den Unterricht bei dem Münchner Professor Pembaur, dessen Zimmer sie noch heute vor ihrem geistigen Auge sieht: „Im Zimmer des kleinen, alten Mannes war kein Stückchen Wand mehr frei. Alles war voller Bilder und Bücher!“
Irmgard Graubners Jugendjahre fanden – wie die so vieler Gleichaltriger – mit dem Zweiten Weltkrieg ein plötzliches Ende. Die aufstrebende Pianistin musste trotz erster Erfolge eine ganz andere Arbeit übernehmen und fertigte in einer Fabrik Wursthäute. „Aber“ sagt sie, „so konnte ich zu Hause bleiben und musste nicht ins Ruhrgebiet.“ Das ist nur ein Beispiel für eine der Fähigkeiten Irmgard Graubners, mit denen sie beeindruckt: Sie gewinnt dem Leben seine guten Seiten ab – sei es auch noch so schwer.
Die Zeiten wurden wieder besser und mit dem Frieden trat für Irmgard Krutsch ein ganz großes Glück auf den Plan. Sie lernte ihren späteren Ehemann Will kennen. Wie es kaum anders zu vermuten ist, durch ihr Klavierspiel. Wills Schwester Gudrun spielte Geige. Als das Haus der Familie nach dem Kriege wieder eingeweiht werden sollte, fiel ihre Klavierbegleitung aus. Gudrun Graubner suchte dringend nach einem Ersatz. Mit einem größeren Erfolg als erwartet. Denn sie traf nicht nur auf eine hervorragende Pianistin, sondern in Personalunion auch auf die spätere…
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